Hallo Werner,
Im grossen und ganzen kann ich nur Deine "Empörung/Traurigkeit" Beifall leisten. Was Du suchst gibt es nicht. Und für uns "Normalsterbliche" erst recht nicht. Wenn man als Student oder Mitarbeiter an einer Universität verbunden ist hat man dann wenigstens noch "kostenlos" Zugang zu einem Grossteil von den von Dir schon angesprochenen Artikel von 30-40 Euro für wenige Seiten A4 bei "$pringer & Co." Komisch eigentlich: Die Leute die das alles bezahlen, bzw "der Steuerzahler" der sowohl das Gehalt versorgt der Wissenschaftler welche die Artikel im Arbeitszeit des Bosses (Uni?) schreiben, als auch die Grundlagen die Studenten das Studium erst möglich machen haben keinen Zugang zu allem mit Steuerngelder zusammengebrachtes "Wissen". Das darf jetzt etwas überzogen sein, das ist mir schon bewust, aber ganz ohne ist eine sölche Stellungnahme auch nicht.
Mir ist schon klar das Autore normalerweise überhaupt nichts für Artikel bezahlt bekommen, oder schlimmer noch: selber bezahlen müssen um ein Artikel überhaupt publiziert zu bekommen. Sprich: Die arme Wissenschaftler können auch nichts dafür. Nun ja, nur das die eben ihre Seele verkauft haben an ein System das al dieses so organisiert wie es im Moment organisiert wird. Schon komisch. Keiner bekommt Geld (ich glaube eigentlich auch kaum an der Fabel das die Fachkompetente "peer reviewers" oft Geld bekommen für die Arbeit des reviews), aber die Verlage nehmen erst Geld für das akzeptieren der Arbeit und danach viel Geld für das Verteilen de Veröffentlichung. Irgendwas scheint da ja nicht zu stimmen.
Was auch zu Günsten der Verlage mitspielt sind die lächerliche Urheberrechtgesetze die in der ganzen "modernen" Welt verbreitet sind, und wohl grösstenteils von den VS abgeküpfert, bzw von deren Lobby beeinflusst um deren Gesetze überal durch zu setzen, welche hinwieder von Grosskonzerne wie Disney "gekauft" worden sind. Veröffentlichungen gesetzlich schützen bis 70 Jahre (oder waren es nun 75?) nach dem
Tode des Autors. Was soll der Schwachsinn? Ein Wissenschaftler schreibt, ohne je einen Pfennig dafür zu bekommen, als 20 Jähriger ein Artikel in einer Fachzeitschrift - weil ihm das Thema am Herzen geht und er gerne seine Entdeckungen, seine Beiträge zum Wissen der Welt mit uns alle teilen möchte. Der gute Mann wird aber 95 Jahre alt undso kommt es das "$pringer & Co" die irgendwann mal den keinen Original-Verlag aufgeschluckt haben "150" Jahre nach der Veröffentlichung uns den komfortabelen, kostenlosen Zugang zum Artikel, oder auch die Wiederbenutzung von Textfragmente oder Zeichnungen, verbieten können und hinter 40 Euro Gebühren verstecken. Alles ganz gesetzlich gutgeheissen. Tolle Jungs die sich damals kaufen haben lassen sölche Gesetze ab zu knicken.
Und ja - mir ist auch schon bekannt das ich grundsätzlich "kostenloser(?) Zugang" zu diese Artikel bekommen kann indem ich eine Bibliotheke ausfindig mache welche die damalige Zeitschrift auf Lager hat und dann entweder 400km dorthin verreise oder gebührenpflichtig Kopien erstellen und zuschicken lassen kann. Vonwegen: "kostenlos". Das ist in Zeiten vom Internet und digitalisierung doch nur noch mittelalterlicher Dünnschiss. Die Sachen sind längst eh digitalisiert, oftmals zudem (mal wieder) mit gemeinnützige Subvenzionierungsgelder. Und wenn mal eine "Firma" selber für die Digitalisierung herhällt, dann kommen die Dinger erst recht oftmals nicht online, selbst wenn die gesetzliche Schutzfrist längst abgelaufen ist.
So, sorry für den Monolog. Ist auch alles nicht so schwarz-weiss, aber trotzdem schön das mal wieder los zu werden
Fazit ist: Wer nicht irgendwie an einer Uni oder Untersuchungsanstallt verbunden ist, oder neben einer guten entomologische Bibliotheke wohnt, dennoch wissenschaftlich interessiert, hat grundsätzlich
sauschlecht Karten um an einigermassen aktuelle Arbeiten heran zu kommen (sprich alles was nach 1922 herausgegeben wurde).
Nun ja, das sollte man schon etwas nuanzieren. Eigentlich sind besonders die meist aktuelle Sachen immer besser und schneller online verfügbar. Da zeichnet sich, dank "Open Access" usw ein deutlicher Trend ab und auch viele entomologische Vereine und Museen usw geben immer mehr (aktuelle) Arbeiten schnell online als download frei. Da bleibt die "Versorgung" mit mittelfristig ältere Werke (so global zwisschen 1922 und 1990/2000) deutlich nach, weil da muss zumindest bei ent. Vereine usw wirklich einen digitalisierungsschlag beim "alten Zeugs" gemacht werden.
Damit kommen wir aber zum nächsten Punkt. Eine zentralisierte Datenbank, bzw annotierte Bibliografie? Mir ist noch nichts umfassendes über den Weg gekommen. Es werden hauptsächlich hunderte verschiedene Systeme gewartet die alle irgendwie versuchen "umfassend" zu sein - entweder für ein Fachgebiet, oder für ein Verlag oder oder - aber nichts ist wirklich umfassend und man kann sich auch fragen ob es jemals soweit kommen wird. Hoffnungsvolle Ansätze, bzw Intentionserklärungen dazu gibt es natürlich allemal - Du und ich sind nicht die ersten die sich einfallen haben lassen das sowas sinnvoll wäre, aber es wird wohl noch einiges an Zeit brauchen. Am nahesten kommen im Moment wohl die unterschiedliche Meta-Suchsystem der Universitäten und Verlage, die dann leider natürlich meist auf (für Normalsterbliche sehr teuer) bezahlte Digitalversionen auskommen (wenn schon), wobei viele dieser Arbeiten anderswo als freier Download zu haben sind.
Den letzten 10 Jahre (doch schon wieder - männooo, fliegt die Zeit) hab ich mich ziemlich intensiv mit der entomologie befasst. Über Krabbeltiere hab ich nicht unbedingt sehr viel gelernt, oder jedenfalls nicht soviel als ich hätte lernen können in dieser Zeit. Eins hab ich aber gelernt:
Suchen. Und damit ist wohl auch das grösstteil dieser 10 Jahre drauf gegangen. Suchen, suchen, suchen ... endlos ... und nur manchmal auch finden, kurz lesen woraus sich dann wieder neue Suchorgien ergeben.
Eine sehr aktuelle Studie zeigt übrigens das moderne "Wissenschaftler" sich diese Mühe immer weniger machen. Das ist mir in Diskussionen oder beim lesen von Artikel usw auch schon öffters aufgefallen. Man kennt schlichtweg die "Vorgeschichte" des Fachgebietes nicht mehr. Wichtige Publikationen, teilweise schon mehrere Jahrzehnt älter bzw sölche die längst bekannt sein sollten, werden nicht beachtet weil man diese schlichtweg nicht kennt: Nicht gefunden hat, oder nicht gelesen hat (weil in einer unzugängliche Sprache oder aus sonstirgendwelche Gründe). Die neue Studie belegt auch das in den letzten Jahren zudem - unter Druck von "Veröffentlichungszwang" welche von viele Unis/Arbeitsgeber aufgelegt wird - soviel "neues" veröffentlicht wird das es wirklich schlichtweg
unmöglich ist alles auf dem eigenen Fachgebiet bei zu behalten (wenn auch vieles von wirklich sehr mässiger Qualität ist - publiziert des publizierens wegen). Das ist wirklich ein echtes zusätzliches Problem.
Was man als Untersucher brauchen würde ist ein bibliografisches System das wirklich alle Literatuur des Fachgebietes kennt und zwar nicht nur die Titel und einige Stichwörter, aber wirklich auch die Inhalte und zwar so das auch bei jeder Arbeit annotoert ist ob bestimmte Behauptungen/Schlüsse z.B. später schon wieder bemängelt/wiederlegt worden sind usw. usw. Also wenn ich die Arbeit von Schmitt (1977) heraussuche, das dieses System mir sofort erzählt das im Johnson (1989) Fehler vom Schmitt auf Seite soundsoviel belegt werden. Sölche Sachen. So ein System zu füttern ist eine Heidenarbeit aber meiner Meinung nach würde es langfristig unentbehrlich sein. Sowas gibt es noch nichtmal wirklich ansatzweise (nun ja - ich arbeite an ein Prototyp
)
Für viele Ordnungen/Tiergruppen sind bei meine endlose Suchereien gute Quellen auffällig geworden die dann natürlich immer wieder zuerst angefahren werden. Oder aber einige gut "generelle" Literaturquellen wo man oft fündig wird. Teilweise sammelt sich das alles "im Kopf", etwas weniger in den "Favoriten" des Browsers und noch weniger werden sölche Links dann mal zusammengefasst in Linklisten welche in kürzer Zeit veraltet sind.
Im Moment hab ich auch keine Zeit um auch nur eine kurze Liste von sehr nützliche "algemeine" Literaturbanken zusammen zu schreiben und es stellte sich auch dei Frage ob Du die eh nicht schon lange alle kennst (BHL, Gallica, Zobodat, div. entomologische Vereine usw usw). Vieleicht später ...
Muss nun rennen. Fazit: Nein - ein guter zentraler Zugang wo man alles findet gibt es nicht. Selbst für eingeschränkte Fachgebiete kaum. Fallbeispiel: The Lacewing Digital Library gibt ein sehr guter Startpunkt für die Suche nach Literatur über Netzflügler und hat auch für sehr vieles PDFs zur verfügung. Einiges finde ich dort aber auch nicht und als PDF erst recht nicht - oftmals muss ich die wieder anderswo aufschnurren. So ist es wohl in alle Fachbereiche.
LG, Arp