Ich denke, dass das Thema mehrere Aspekte besitzt.
So ist es sicher schade, dass die statistische Basis dieser Studie offensichtlich nicht gegeben ist und dass es diese Arbeit dennoch bis in die sehr rennomierte Zeitschrift Plos One geschafft hat. Schade, doch das ist leider ein Trend der Zeit, den man auch bei anderen Themen und sogar Zeitschriften wie Science feststellen kann. Politik und Mainstreamdenken geht inzwischen offenbar vor Wissenschaft. Hier kommt es nicht unerwartet, weil die selben Autoren bereits vor zwei Jahren eine Welle losgetreten haben mit den Ergebnissen von nur 2! Malaisefallen und auch schon auf die 75% Schwund gekommen sind. Barbara Hendricks, immerhin deutsche Umweltministerin, sprach darauf hin sogar mal von 75 Prozent ausgestorbener ARTEN...
Davon abgesehen, ist es inzwischen unter Kollegen unstrittig, dass es einen starken Schwund an Insektenindividuen gibt. Praktisch jeder Kollege im Freilandgeschäft, mit dem man spricht, stellt dies fest. Doch natürlich ist uns allen bewusst, dass man solche Dinge hieb und stichfest (im Sinne einer fundierten Statistik) nur schwer wird beweisen können. Auch, weil in den 1990er Jahren oder früher kaum einer Daten so erhoben hat, als dass man sie problemlos mit aktuellen Daten vergleichen kann. Hätten wir damals alle schon Abtropfgewicht von Malaisefallenausbeuten ermittelt, sähe dies ganz anders aus...
Doch auch Beobachtungen vieler Kollegen sind eine wissenschaftliche Aussage (die Sozialwissenschaften arbeiten nur so), daher zweifle zumindest ich nicht daran, dass zumindest der in der Studie beschriebene Trend auch stimmt. Es gibt sicher noch Ungereimtheiten, weil manche Arten auch zunehmen, weil der Schwund in Ostdeutschland viel geringer ist als in Westdeutschland etc. etc., doch das wird man sicher alles noch deuten können.
Viel mehr stört mich, dass die Versursacher längst feststehen. Es ist die böse Agrarindustrie, und NABU & co fokussieren dabei vor allem auf zwei Stoffe, auf Glyphosat und auf die Neonikotinoide. Das zeigt vor allem auf, wie einseitig und eingeschränkt das Denken vieler Umweltverbände ist.
Natürlich ist unstritttig, dass Agrarchemikalien eine große Bedeutung für den Rückgang von Insekten etc. haben. Doch ich kann aus dem Stand ein Dutzend Szenarien aufzählen, aus denen hervorgeht, dass es noch ganz andere und sehr gewichtige Verusacher geben muss. Die Studie selbst erwähnt ja die Stickoxide, die ja vor allem von uns allen und nicht nur aus der Landwirtschaft kommen. Hier muss noch viel mehr geforscht und gedacht werden, und zwar ganz schnell. Sonst werden wir Glyphosat vielleicht verbieten, nur um festzustellen, dass die Insekten weiter munter wegsterben.
Und zu deinem Punkt, Anna: Du schreibst hier, das du davon ausgehst, dass die Entnahme von einem Kilo Insektenlebendmasse aus einem NSG für die Artenentwicklung schädlich ist. Wie kommst du zu dieser Aussage? Kennst du Studien, die das belegen? Ich glaube das nämlich nicht, und ich kenne keine einzige fundierte Studie, die nahelegt, dass ein solcher Zusammenhang besteht. Ganz im Gegenteil gehe ich davon aus, dass die Dichteregulierung bei Insekten in den meisten Fällen von ganz andere Faktoren bestimmt wird und das Wegfangen eines vermutlich sehr geringen Anteils der adulten Imagines durch Fallen (zumindest wenn dies so moderat geschieht wie hier) keine Wirklung auf die Populationsentwicklung hat. Viele Indizien deuten darauf hin.
Viele Grüße, Christian
(und, weil hier die Anonymität stets ein Thema ist, man findet mich unter
www.bembix.de).